Skydiving in Australien – ein Erfahrungsbericht vom Start bis zur Landung

Freier Fall

„Ich kann dieses Erlebnis gar nicht beschreiben, weiß nicht womit ich anfangen soll.“ Trotz 17-jähriger Sprungerfahrung und tausenden Malen, die er von einem Flugzeug aus in den kilometertiefen Fall gestürzt hat, fehlen Skydiver Joe Wilson die Worte, dieses Gefühl zu beschreiben. Mir, um ehrlich zu sein, auch. Aber ich werde es einmal versuchen, indem ich euch von meinem Skydiving in Australien berichte: von der Vorbereitung, über den Flug, den Sprung und die Landung. Es war mein erster Skydive. Ausgangspunkt ist Cairns, eine nördlich gelegene Stadt an der Ostküste Australiens im grünen Queensland.

 

Am Himmel schwebt die zuletzt gestartete Tandemgruppe. Sie sind wie zwei Punkte am Horizont, nicht größer als Fliegen, die immer mehr Gestalt annehmen je näher sie der Erde kommen. Das Flugzeug, aus dem sie gesprungen sind, ist außer Sichtweite, vermutlich über den Wolken.

 

Eine 6-köpfige Gruppe hat sich auf dem Gelände von Skydive Australia versammelt, mit dem Ziel einen Tandemsprung aus 14.000 Fuß, das sind 4267 Meter Höhe, zu erleben. Alle wissen theoretisch, was sie gebucht haben und vor allem wieviel sie bezahlt haben. A$309, etwas über 190 Euro, kostet der Spaß. Praktisch hat keiner damit Erfahrung, sich aus einem fliegenden Flugzeug zu stürzen.

 

Hoch hinaus im freien Fall: die Vorbereitungen fürs Skydiving in Australien

Doch grade deshalb haben es alle gebucht. Die Truppe ist von Alter und Herkunft bunt durchmischt. Jeder bekommt einen Tandemmaster zugeteilt, mit dem er den Tandem-Fallschirmsprung antreten wird.

Queensland von oben

Queensland von oben

Zunächst bekommt jeder von uns eine weite und übergroße langbeinige Schutzhose. Ganz schön warm bei den Temperaturen. Dabei sind es nur 26 °C und das bei Mitte August im nordaustralischen Winter.

Danach werden wir verschnürt: vier-Finger-breite Bänder verlaufen uns um die Oberschenkel und die Taille, so wie eine luftige Windel aus Schnüren. Weitere Sicherheitsgurte führen über die Schultern wie Hosenträger, damit die Windel auch nicht rutschen kann.

 

Die Sicherheitsweste ist noch mit unzähligen schweren Karabinerhaken versehen, deren essenziellen Nutzen wir erst später verstehen werden. Schmunzelnd über unsere entgeisterten Gesichter bezeichnet Tandemlehrer Zack Orme, 27, es als „super cooles Outfit“ und drückt jedem noch eine transparente Schutzbrille in die Hand. Die erinnert mich wiederum an die komischen, zerkratzen Schutzbrillen, die wir bei Experimenten im Chemieunterricht der Mittelstufe immer aufziehen mussten. „Bisher sah noch keiner gut damit aus, aber Sicherheit geht vor“, schmunzelt Zack.

 

Trockenübungen für die Sicherheitsvorkehrungen

Auch Carolína, die nach mir springen wird, kommt aus dem Lachen nicht mehr raus. Eingeschirrt liegt sie bäuchlings auf einer blauen Turnmatte auf dem Boden des Geschäfts und geht die Trockenübungen durch.

 

Beine zusammen, anwinkeln und hochziehen. Ein Hohlkreuz bilden, Kinn hoch, Kopf in Nacken und die Arme vor der Brust über Kreuz. Das ist die richtige Haltung, mit der man das Flugzeug in der Luft verlässt. Noch fühlt sich Carolína wie eine gestrandete Robbe. Die 23-jährige Spanierin springt heute auch zum ersten Mal, doch lässt sich von der strikten Einweisung in Theorie und Praxis nicht verunsichern.

 

Wie jeder der sechs Männer hat Zack Orme eine Lizenz zum Passagiersprung als ausgebildeter Tandemmaster. Nun steht er zwischen Carolína und mir. Sonnenbrille auf, braun gebrannt und kleine Schweißperlen auf der Stirn, entweder von der Hitze des australischen Winters oder wegen der warmen Sicherheitsausrüstung. Wer weiß. Nur sieht seine Ausrüstung noch etwas komplizierter aus als unsere.

 

Man braucht eine Ausbildung zum professionellen Skydiven

Spung aus Flugzeug

Spung aus Flugzeug

Er ist ein großer, sportlicher Typ mit braunen windzerzausten Haaren und einem gestutzten Bart und selbst nur mit Visum im Land. „Ich bin Neuseeländer und mache momentan Urlaub in Queensland. Am Wochenende arbeite ich hier, nun sind es fast schon drei Monate. Bald geht’s weiter runter nach Sydney. Dieser Job verbindet was ich liebe: das Reisen und meine Leidenschaft, das Springen.“ Er ist mein Tandemmaster.

Skydive Australia in Cairns ist eine von 18 Außenstellen des Unternehmens. Bisher gibt es sieben Außenstellen in Queensland. Weitere Sprungstellen befinden sich über die gesamte Ostküste verteilt bis in den Süden nach Victoria und vereinzelt im Westen Australiens. Meistens sind sie in großen Städten zu finden wie Melbourne und Sydney, Zacks nächster Anlaufstelle. Ob er dort wieder für Skydive Australia arbeiten will, hält er sich als Option offen.

 

Wir werden informiert, dass man keine losen Gegenstände wie Handys, Ohrringe, das Portemonnaie oder andere Wertgegenstände mitnehmen darf, da Skydive Cairns keine Verantwortung für während des Fluges verloren gegangene Objekte übernimmt. Zum Glück haben sich alle darangehalten und nichts ist verloren gegangen.

 

Der Flug und die Zeit unmittelbar vor dem Sprung

Einmal an Bord hebt sich die VH DVS Caravan 1 wie ein schwerfälliger Vogel hoch hinaus in die Lüfte. Fünf Springpartner sitzen hintereinander auf einer Bank, das sechste Pärchen vor der Tür.

 

Kaum eingestiegen und abgehoben, wird der Startplatz unter uns kleiner. Dafür bietet sich ein atemberaubender Ausblick. Unter uns sind weite, grüne Maisfelder und noch weiter am Horizont das Meer. Es glitzert in der hochstehenden Mittagssonne in einem tiefen Blau und leichten Türkis. Wohlwissend, dass sich darunter die Unterwasserlandschaft des Great Barrier Riffs befindet, kann niemand seine Augen von dem Panorama wenden.

Tandem Skydive

Tandem Skydive

 

Doch bin ich froh, als sich die Seitentür nach drei Minuten Flug schließt. Die war nämlich während es Aufstiegs noch leicht geöffnet und ich saß davor. Genau, ich gehöre zu dem sechsten Paar, ich sitze auf dem Boden vor dem Ein- bzw. Ausstieg. Ich darf auch als Erste springen, als Letzte ins Flugzeug einzusteigen war wohl so gesehen doch nicht so clever.

 

Nachdem das Flugzeug die angemessene Höhe erreicht hat – wir befinden uns über den Wolken – öffnet sich die Tür erneut. Zack hakt sämtliche der dicken Karabinerhaken von seiner Sicherheitsweste in meine und andersherum und zieht mich dicht heran bis ich auf seinem Schoß sitze.

 

Carolína lächelt nun nicht mehr, sie wirft uns noch einen ermutigenden Blick zu. Joe Stason sitzt ganz hinten auf der Bank und strahlt mit seinem 360°-Dauergrinsen. Zumindest kann der Profi sein Lachen wahren. „Keine Angst, du bist schneller unten als du denkst und dann wünschst du dir wieder in den Flieger zu steigen. Bist du soweit?“, fragt mich Zack und erklärt mir noch einmal kurz, worauf ich beim Sprung zu achten habe.

 

Der Sprung: Ich falle, ich falle. Nein. Ich fliege!

„Ich falle, ich falle. Nein. Ich fliege!“ Das oder etwas Ähnliches denke ich, sobald sich der Fallschirm öffnet. Vorher habe ich nichts gedacht, konnte an nichts denken.  Man kann bei einem zwei Kilometer freien Fall an nichts denken. 60 Sekunden purer Adrenalinkick.

 

Skydive

Skydive

Während des Falls die vorher geübten Bewegungsabläufe einzuhalten, bleibt Theorie. Wie war das doch gleich? Arme ran, Beine hoch, Hohlkreuz, Kopf in Nacken… „Aber ich wollte doch gucken, wo wir hinfliegen!“ protestiert Sarahi, die als Dritte gesprungen ist, im Nachhinein mit zerrütteten Haaren.

 

Der Flugwind hat auch sie ordentlich zugerichtet.  Passieren konnte einem trotzdem nichts, da die Befestigung mit den Karabinerhacken den Sprungpartner dermaßen fest an den Tandemmaster gebunden hat, der sich richtig verhält, so dass man automatisch die gleiche Position einnimmt. Außerdem korrigiert er Arm und Beinhaltung durchweg während des Falls.

 

Die Landung auf allen vier Buchstaben

Ein Gespräch ist erst wieder möglich, nachdem Zack den Fallschirm geöffnet hat und der Gegenwind des freien Falls einem nicht mehr das Wangenfleisch gegen die Schutzbrille drückt. Das langsame Gleiten und Kreisen über den Maisfeldern fand ich am Schönsten. Kein flaues Gefühl mehr im Bauch, nur genießen. Und umso cooler war es, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen und zu lenken. Jeder durfte einmal den Fallschirm selbst lenken.

Skydive Landung

Skydive Landung

 

Die Landung ist sehr rau und abrupt auf dem Hintern und inmitten eines Maisfelds. Das sieht in den Demovideos so elegant aus. Dort sind alle irgendwie im Stehen gelandet und haben den Schwung ausgelaufen und nicht mit dem Po abgebremst. Doch einmal sicher am Boden angekommen, kommt ein Shuttle Bus und sammelt uns ein. Wir werden zum Ausgangspunkt zurückgebracht.

 

Das Gefühl danach

Das war mein Erlebnis vom Skydiving in Australien. Es war mein erster Skydive, wird aber nicht mein letzter bleiben. Niemand, der es selbst erlebt hat, findet die passenden Worte dafür. Das kann man nur erleben.

 

Doch auch so stehen wir am Ende in einer Runde, noch elektrisiert vom dem Adrenalinkick und genießen den Nachklang des Erlebten. Joe Stason klopft uns sechs anerkennend auf die Schulter, als wären wir nun in den Bund der Fallschirmspringer eingetreten. Wir teilen diesen Moment, dieses Erlebnis, ohne Worte.

 

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