Roadtrip im Süden von Island: Durch das Land von Feuer und Eis

Schwarzer Strand Island

Auch wenn es der Titel vermuten lässt, ich mag Game of Thrones gar nicht. Ich habe mich einmal an der Serie versucht und zweimal an den Büchern, aber irgendwie konnte ich die Begeisterung nie so richtig nachvollziehen. Anders bei Island, denn da kann ich die Begeisterung durchaus nachvollziehen. Island steht sicher bei vielen auf der, wie man mittlerweile so schön neudeutsch sagt, auf der Bucket List.

 

Und wenn es nicht Island im Allgemeinen ist, dann ist sind es Nordlichter im Speziellen. Diese waren auch vornehmlich der Grund, warum ich im November nach Island flog, mit der Aussicht auf so gut wie kein Tageslicht, beißende Kälte und hoffentlich ein wenig flüchtige Farbe am Himmel. Schließlich ist in diesem Monat angeblich die Wahrscheinlichkeit am größten, die Aurora Borealis zu sehen. So zumindest hatte ich es mir angelesen. Stimmte in meinem Fall auch, aber dazu später mehr.

 

Die Ankunft in Reykjavik

Grünbraune Wiesen, wahrscheinlich im Aggregatzustand gerade irgendwie zwischen matschig und halbgefroren, karge Landschaft, keine Häuser. So mein erster Eindruck von Island und ich weiß schon jetzt, dass ich das Land mögen werde. Weil es eben nicht völlig überlaufen ist von Menschen und sich nicht selbst mit gigantischen Städten zerquetscht, sondern weil man hier seine Ruhe hatte und Einsiedlertum sozial akzeptiert ist.

 

Reykjavik

Reykjavik

Der erste, der mich auf der Insel im hohen Norden begrüßt, ist der Wind und er ist nicht gerade freundlich. Als würden wir uns schon ewig kennen, fährt er mir, ohne zu fragen, unter die drei Schichten meiner Kleidung, stürmt durch meine Haare und erfasst mich, sobald ich das Flughafengebäude verlassen, und bringt mich erst einmal aus dem Tritt. Damit war dann auch direkt klar, wer von uns beiden in dieser Beziehung das Sagen hat. Ich jedenfalls nicht.

 

Auf der Fahrt in die Stadt zittere ich erst einmal im Auto eine Weile vor mich hin, obwohl es sicher für isländische Verhältnisse sicher ein angenehm milder Herbsttag ist. Es ist später Vormittag, aber das tieforange Licht gibt mir das Gefühl, als ginge es schon gegen Abend. Dabei rufe ich mir die wenigen Fakten über das Land, die ich kenne, ins Gedächtnis.

 

Ungefähr 300.000 Einwohner, zwei Drittel davon leben in Reykjavik. Ich war zugegeben noch nie sehr geschickt, wenn es um Zahlen ging, aber dass das nicht viel ist, ist selbst mir klar. Wie wenig das wirklich ist, zeigte sich in den nächsten Tagen, denn in Island erlebt man nicht Natur zwischen einer Übermacht von Menschen, sondern eine übermächtige Natur und eine Handvoll kluger Menschen, die um deren zerstörerische Kraft und Unbarmherzigkeit weiß.

 

Reykjavik: Dunkelheit, Wind und Gemütlichkeit

Auch wenn es erst 17 Uhr ist, ist es stockdunkel und die Hauptstadt ist wie ausgestorben. Auf dem Vorplatz der Hallgrímskirkja ist niemand, außer der Wind, der auf ahnungslose Touristen lauert. Bergab führt die Straße hin zur Bucht, auf dem Weg dahin rote angestrichene, typisch skandinavische Holzhäuser, darin warmes Licht, Familien, Gemütlichkeit. Wie leicht ist es doch, sich zu Hause zu fühlen, wenn die Welt draußen kalt, rau und dunkel ist. Die wenigen Geschäfte sind klein gehalten, wirken exklusiv. Zahlreiche Cafés, denn Isländer lieben ihren Kaffee.

 

Aussicht von Reykjavik

Aussicht von Reykjavik

Tiefschwarz, so wie die langen Winternächte. Zitternd, dieses Mal nicht wegen der Kälte, sondern vom Koffeinschock, stehe ich an der Sólfar-Skulptur, schaue über das wilde Wasser zum gegenüberliegenden Bergmassiv und versuche zu begreifen, dass ich mich gerade wirklich und tatsächlich am Polarkreis befinde.

An dem Teil der Welt, wo Menschen seit Jahrhunderten mit der groben Witterung leben, gegen Gezeiten kämpfen und verstanden haben, wie wenig sie gegen die Kräfte der Natur ausrichten können. Es ist dunkel, aber die Nacht leuchtet. Schwarzer Himmel, schwarzes Wasser und Schnee am anderen Ufer.

 

Ein Viertel der Route 1: Vík, Höfn, Skógafoss und Jökulsárlón

Auf der Fahrt von Reykjavik in Richtung Osten, bin ich sprachlos. Beeindruckt und sprachlos, denn ich bilde mir ein, auf der Welt schon ein paar Dinge gesehen zu haben, also versetzt mich ein Wasserfall in der Regel nicht mehr unbedingt in Ekstase. Island aber schafft es, dass ich mit großen Augen und offenem Mund aus dem Autofenster starre und alle paar Meter ehrfürchtig „oh wow“ hauche. Dabei gibt es eigentlich gar nichts zu sehen, im herkömmlichen Sinne. Was sich zeigt, sind endlose Weiten und in der Ferne Berge.

Mittagssonne kurz vor Vík

Mittagssonne kurz vor Vík

 

Und trotzdem traue ich mich gar nicht, zu blinzeln, damit mir bloß nichts entgeht, denn der Anblick ist absolut hinreißend. Die nur knapp über dem Horizont stehende Sonne schaut in orange-goldenem Licht, überspannt alles mit einem natürlichen Weichfilter und lässt Wasser glitzern und Farben leuchten. Dazu als Kontrast schwarzer Sand, kristallene Eisblöcke an den Ausläufern des Meeres, grüne Wiesen und weiße Schneefelder. Island zeigt mir ein Spektrum an Farben, das mich völlig überfordert.

 

Unterwegs begegnen mir kaum Menschen und wenn, dann wurden sie meist extra eingeflogen, denn auch Island leidet an der Reisebusgruppen-Epidemie, so sehr das Land auch versucht, sich davor zu schützen. So fallen asiatische Reisegruppen an Wasserfällen aus dem Bus und tragen beim Aussteigen bereits Eisspikes unter den Schuhen, obwohl nicht einmal Schnee, geschweige denn Eis weit und breit zu sehen wäre. Aber offenbar stand es im Reiseführer, dass es in Island grundsätzlich immer glatt ist, selbst wenn einem an einer windgeschützten Stelle die Sonne mit 10 Grad ins Gesicht scheint, also wird auch knallhart mit den Eisschuhen die Wiese vertikutiert. Noch ein Grund mehr, warum ich im Herzen wohl Isländer bin und das Alleinsein solchen Schauspielen zweifelsohne vorziehe.

 

Ein nächtlicher Farbentanz am Himmel: Die Aurora Borealis

 

Sonnenaufgang in Höfn

Sonnenaufgang in Höfn

Island ist sich dessen bewusst, wie viele Touristen ins Land kommen, um Nordlichter zu sehen. Deshalb ist daraus eine riesige Industrie entstanden. Zumindest in Reykjavik lässt sich eine Vielzahl von Touren buchen, mit Foto-Workshop, mit Nordlicht-Jägern etc. etc. Habe ich alles nicht gemacht. Stattdessen gibt es eine sehr nützliche Webseite, wo sich erfahren lässt, wie die Wetterbedingungen sind und wo die Wahrscheinlichkeit besonders hoch ist, Nordlichter zu sehen. Dafür darf es nicht bewölkt sein, man am richtigen Ort zur richtigen Zeit sein, wenn das Schauspiel gerade am Himmel stattfindet und dann muss man auch noch zufällig nach oben gucken. Man soll es ja kaum glauben, aber ich laufe die meiste Zeit nicht mit der Nase in der Luft durch die Gegend.

 

Aurora Borealis in Höfn

Aurora Borealis in Höfn

Fast scheint es aber so, als wollte Island, dass ich unbedingt ein Nordlicht sehe, denn ich mache zwei Schritte aus dem Guesthouse in Höfn, schaue vom Autodach hoch in den Himmel und mir bleibt der Mund offenstehen. Direkt über dem Haus bewegt sich gemächlich ein breites grünes Band, wiegt sich sanft hin und her, fast so, als wäre es lebendig. Die Farbe wechselt von leuchtendem grün zu grau zu weiß und wieder zurück und ich starre völlig selbstvergessen über Minuten in den Himmel und fühle weder, dass meine Zehen taub werden, noch dass meine Zähne klappern. Weil mir bewusst wird, wie klein ich bin, in diesem gigantischen Land aus rauen Bergen, erbarmungslosem Eis, Stürmen und unwirklicher Schönheit.

 

Island: Die Destination für Individualisten

Route 1 in Island

Route 1 in Island

Sicher können Reisende in Island in einen Bus steigen, sich einmal um den Golden Circle fahren lassen, Geysire fotografieren, Isländer streicheln (die Ponys, nicht die Menschen), Puffins und Wale beobachten und anschließend in der Blue Lagoon entspannen, wofür Monate im Voraus wegen Überfüllung ein Zeitraum reserviert werden musste. Geht sicher. Muss aber nicht sein. Denn Island zeigt sich am Besten in Einsamkeit, wenn man ganz alleine mit der Natur ist, um zu begreifen, dass eben diese viel stärker ist als man selbst.So groß die Meinung von sich selber vielleicht manchmal ist, so hat noch jeder auf einem Gletscher erschöpft und frierend begriffen, was die eigenen Grenzen sind. Und das ist sicher lehrreich und macht nachdenklich.

 

Gletschersee Island

Gletschersee Island

Island ist das Land, wo seit Jahrhunderten eine ursprüngliche Kultur bewahrt wird, weil es kaum Einflüsse von außen gibt. So gibt es zum Beispiel so gut wie keine Fast-Food-Ketten und es fehlt auch niemandem. In Island muss, wenn ein Kind geboren wird, und der Vorname keinen isländischen Ursprung hat, erst eine Genehmigung durch eine Kommission erfolgen, ob man sein Kind wirklich so nennen darf. Isländisch hat sich im Vergleich zu anderen Sprachen kaum verändert, viele Isländer verstehen noch Worte der alten Sprache und können ihre Wurzeln bis zu den Wikingern zurückverfolgen.

 

Warum ich das erzähle? Um klar zu machen, dass Island ganz anders ist. Kein Vergleich zu irgendetwas, was ich bisher auf der Welt gesehen habe. Und das meine ich im absolut positiven Sinne.

 

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